Reisebericht Jakobsweg Spanien, mit vielen Reisetipps

Der Jakobsweg in Spanien

Der Camino Francés von St. Jean Pied de Port nach Santiago de Compostela

Übersichtskarte Jakobswege
Viele Wege führen nach Santiago de Compostela
Detailkarte Jakobsweg Camino Francés

© Text und Fotos: Andreas Zimmermann

Literatur zum Einstimmen

Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg: Meine Reise auf dem Jakobsweg
Von Hape Kerkelings skurriler Pilgerfreundin: Ich bin da noch mal hin: Mit Gott und Hape auf dem Jakobsweg
Tim Moore: Zwei Esel auf dem Jakobsweg

Empfehlenswerter Reiseführer

Spanischer Jakobsweg: Von den Pyrenäen bis Santiago de Compostela.

Was ist der Jakobsweg?

Zuerst muss ich anmerken, dass es DEN Jakobsweg gar nicht gibt. Der Jakobsweg ist eigentlich ein Netz von Routen welches ganz Europa überzieht und als Ziel das Grab des Apostel Jakobus in Santiago de Compostela hat. Heutzutage wird als Jakobsweg hauptsächlich der Camino Francés verstanden, welcher sich von den Pyrenäen aus durch Nordspanien zieht. Diese Hauptroute ist im Hochmittelalter, das heisst in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstanden und wurde 1993 in die Liste der UNESCO-Welterbe aufgenommen. Seither wurde massiv in die Infrastruktur (Pilgerherbergen) entlang der Strecke investiert und das Pilgern erlebt einen grossen Aufschwung. Neben Rom und Jerusalem ist Santiago de Compostela das dritte Hauptziel der christlichen Pilgerfahrt.

Idee und Motivation

«Der Weg ist das Ziel». Dieses Zitat wird Konfuzius (551-479 v. Chr.) zugeschrieben und hatte wohl ursprünglich eine religiöse Bedeutung. Wer den rechten Weg gegangen ist, auf den wartet am Ende seines Lebens die Erlösung. Auch die frühen Pilger welche das Apostelgrab aufsuchten hofften wohl auf Erlösung und auf Vergebung für ihre Sünden. Die religiöse Komponente tritt heutzutage häufig in den Hintergrund. Weglaufen um sich selbst zu finden ist oft die Motivation.

«Der Weg ist das Ziel». Meine Motivation ist die folgende: Ich brauche das Ziel vor Augen um einen Weg zu gehen. Ist aber das Ziel erreicht, so ist es nicht mehr da. Es stellt sich eine gewisse Leere ein, wie bei einem Rentner, welcher sich nicht auf den neuen Lebensabschnitt vorbereitet hat. Was aber bleibt ist der Weg, den ich gegangen bin, all die Erlebnisse und Begegnungen, die Freuden und Leiden unterwegs, kurz gesagt es bleiben Erinnerungen und Erinnerungen sind das, was dem Leben seinen Sinn gibt.

Wie ich zum Jakobsweg kam

2004 war ein Heiliges Compostelanisches Jahr. Das ist immer dann der Fall, wenn der Festtag des Heiligen Jakobus, der 25. Juli, auf einen Sonntag fällt. Die nächsten Jahre sind somit 2021, 2027, 2038, 2049, 2055, 2060 usw. Im Jahre 2004 ist Hape Kerkeling den Jakobsweg gelaufen und 2006 hat er seinen Reisebericht «Ich bin dann mal weg» als Buch herausgegeben. Dieses Buch habe ich mit grossem Vergnügen gelesen und langsam reifte der Entschluss den Jakobsweg selber zu laufen.

Allerdings hatte ich auch meine Bedenken. Durch den Erfolg des Buches war der Jakobsweg in allen Medien. Ich habe im Fernsehen Berichte gesehen, meist mit Menschen, welche auf dem Weg irgend eine Lösung für ihre Probleme suchten, Menschen die davonlaufen um sich selbst zu finden, Menschen, welche irgend eine Mission verfolgten oder sonst einfach schräge Vögel. Ich bin auch aufmerksam geworden auf das Buch «Der Jakobsweg: Eine spirituelle Reise» von Shirley McLaine welches viele als Inspiration angeben. Allein schon die Kritiken haben mich abgehalten dieses Buch zu lesen und ich habe mich gefragt, treffe ich überhaupt normale Menschen auf dem Weg? Ich kam dann zum Schluss, dass Normalität für die Medien nicht interessant ist und sie somit immer sehr spezielle Charakteren porträtieren.

Die Vorbereitung

2010 ergab sich die Möglichkeit 7 Wochen für den Camino einzuplanen. Das reicht zwar nicht um von der eigenen Haustür aus zu starten, aber für den Jakobsweg in Spanien reicht es alleweil. Die Anreiseroute war bald klar: Mit dem Flugzeug nach Paris und weiter nach Biarritz. Dann mit dem Bus nach Bayonne und von dort mit der Bahn nach St. Jean Pied de Port am Fuss der Pyrenäen.

Nach dem Appalachian Trail im Jahr 2000 habe ich mir geschworen nie mehr mit schwerem Rucksack zu wandern uns so habe ich mir aus den USA einen ultraleichten Rucksack und ein Zelt besorgt. Das Zelt nehme ich als Notunterkunft mit. Dieses Jahr ist ja wieder ein Heiliges Jahr mit entsprechend hohem Pilgeraufkommen. Ich kann also nicht jeden Abend mit einem Bett in einer Herberge rechnen, denke ich. Der Schweizer geht auf Nummer sicher. Das restliche Gepäck ist schnell aufgezählt: Ein leichter Daunenschlafsack, Thermarest Ultralight Matte, zwei zusätzliche Paar Socken, eine zweite Unterhose, ein zweites T-Shirt, eine Regenhose, eine Regenjacke, ein ultraleichtes Microfaser-Frottiertuch, Zahnbürste, Zahnpasta, Shampoo, Sonnencrème, Fusscrème, Blasenpflaster, ein Handwaschmittel um jeden Abend die verschwitzten Sachen zu Waschen und natürlich meinen Pilgerpass. Diesen benötige ich um in den Herbergen Unterkunft zu erhalten. Dazu noch die Kamera mit Ersatzakku und Ladegerät und mein Handy. Die Wanderschuhe rechne ich nicht zum Gepäck, die habe ich ja an.

Weitere Buchtipps:

Zum Thema Ultraleicht-Wandern: Trekking ultraleicht (Outdoor Basiswissen)
... oder abgestimmt auf den Jakobsweg: Jakobsweg im Smoking: Auf dem Weg zur perfekten Packliste.

Wozu benötige ich einen Pilgerpass und wo erhalte ich ihn?

  • Der Pilgerpass wird benötigt um in den Pilgerherbergen Unterkunft zu erhalten, sofern noch Platz vorhanden ist. Falls eine Herberge ausgebucht ist, bleibt einem nichts anderes übrig als zur nächsten Herberge zu wandern. Unterkunft erhält aber nur, wer zu Fuss, mit dem Fahrrad oder mit dem Pferd unterwegs ist. Ist der Platz knapp werden die Fuss-Pilger bevorzugt.
  • Der Pilgerpass wird in den Herbergen, vielen Hotels und auch Kirchen mit Datum abgestempelt und dient so als eine Art Tagebuch der Pilgerschaft. 
  • Der Pilgerpass wird benötigt um in Santiago de Compostela die Compostela zu erhalten. Das ist die Urkunde, welche bestätigt, dass jemand aus religiösen oder spirituellen Gründen auf dem Jakobsweg gepilgert ist. Es müssen mindestens die letzen 100 Kilometer zu Fuss oder 200 Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt worden sein.

Es macht Sinn, sich den Pilgerpass schon zu Hause zu besorgen, denn er ist unterwegs nur noch in wenigen grösseren Herbergen erhältlich. Hier sind einige Links, über welche Sie zu ihrem Pilgerpass kommen:

Die Anreise nach St. Jean Pied de Port

Am Montag 20. September 2010 ist es soweit. Ich starte meinen Camino. Um 9.55 hebt das Flugzeug Richtung Paris ab, wo ich mit 30 Minuten Verspätung auf dem Flugplatz Charles de Gaulle eintreffe. Ich habe also noch genau drei Stunden Zeit um zum Flugplatz Orly zu gelangen. Der Flughafen Charles de Gaulle ist für mich der schlimmste Flughafen der Welt, ein Albtraum. Ich komme also zum Beispiel in Terminal 2F an. An der Information frage ich, wo der Bus nach Orly fährt. Er fährt von sagen wir Mal Terminal 2A. Ich muss also den Transferbus nehmen. In Terminal 2A gehe ich wieder zur Information mit derselben Frage. "Gehen Sie 100 Meter in diese Richtung", wird mir gesagt. "Dort bei der grossen Werbetafel hat es Rechterhand einen Ausgang, dort fährt der Bus nach Orly". Ich komme auf eine Art grossen grauen Hinterhof mit Wendeplatz. Ein paar Autos sind parkiert und zwei Busse. Nirgends einen Hinweis oder ein Fahrplan. Ich frage vorbeilaufende Passanten. Niemand weiss Bescheid. Unterdessen sind weitere 45 Minuten vergangen. Da kommt ein Bus an und ich frage den Fahrer ob er nach Orly fahre. Leider nein. "Fährt denn hier überhaupt der Bus nach Orly", frage ich ihn. Er hat keine Ahnung, er kennt nur seine eigene Strecke. Aber immerhin, es fahren Busse hier. Ich bin kein religiöser Mensch, ich würde mich sogar als Atheisten bezeichnen. Was braucht ein Atheist in dieser Situation? Gottvertrauen! Der nächste Bus fährt dann tatsächlich für 19 Euro nach Orly, wo ich 45 Minuten vor meinem Weiterflug eintreffe. Ich laufe in die Halle, nehme die Rolltreppe in den ersten Stock, fünf Minuten später habe ich bereits eingecheckt und muss tatsächlich noch eine halbe Stunde bis zum Boarding warten. Der Rest ist ein Kinderspiel und ein langsames Herunterfahren in ein andere Welt. Direkt am Flughafenausgang in Biarritz wartet der Bus zum Bahnhof von Bayonne. Von dort geht es weiter mit dem Bummelzug bis nach St. Jean Pied de Port, wo ich um 19.37 Uhr ankomme. Der Zug war voll mit Pilgern. Niemand sprach ein Wort. Alle waren wohl mit ihren Gedanken beschäftigt.

St. Jean Pied de Port
St. Jean Pied de Port, 20.09.2010

Als erstes gehe ich ins Pilgerbüro um mich zu registrieren. Dort erhalte ich auch den ersten Stempel in meinen Pilgerpass und einen Zettel mit der Nummer 3A. Das ist die Nummer meines Bettes in der Herberge. Acht Euro kostet das Ganze inkl. Frühstück. Müde vom nervenaufreibenden Tag lege ich mich auf mein Bett und muss an die Geschichte des Indianers denken, welcher zum ersten Mal mit der Eisenbahn gefahren ist. Am Zielbahnhof angekommen bleibt er stundenlang dort sitzen. Darauf angesprochen, was er die ganze Zeit da mache antwortet er: Mein Körper ist da, aber meine Seele ist noch nicht angekommen. Was werden die nächsten Tage wohl bringen?

Eingang zum Pilgerbüro
Pilgerbüro
1. Stempel im Pilgerpass
Der erste Stempel

Der erste Tag auf dem Camino Francés

Kurz vor sechs Uhr wird es laut im Zimmer, die ersten Pilger sind am Packen, im Dunkeln, mit Stirnlampe. Punkt sechs Uhr wird das Licht angemacht, offizielle Tagwache. Ich habe keine Lust im Gedränge zu packen und gehe erst mal gemütlich frühstücken. Als ich gegen sieben Uhr zurückkomme ist schon ein Grossmütterchen, sie ist so um die 80 Jahre alt, daran die Betten abzuziehen. "Hopp, hopp, raus mit euch" kommandiert sie. "Um diese Zeit solltet ihr schon lange unterwegs sein. Beeilt euch endlich, ich muss hier arbeiten". Ich kenne die Hausordnung, sie ist auf dem gesamten Weg gleich: Ausser man ist ernsthaft krank muss die Herberge um acht Uhr verlassen sein. Doch eigentlich hat das Grossmütterchen recht. Die Strecke von St. Jean Pied de Port nach Roncevalles ist wohl die längste und härteste auf dem gesamten Camino, da macht ein früher Start Sinn. Auf der sogenannten Route Napoleon, über den Lepoeder-Pass, sind auf 24.9 km Länge 1300 Meter im Aufstieg und 500 Meter im Abstieg zu bewältigen. Bis kurz vor acht Uhr ist es noch stockdunkel, doch langsam kündigt sich der neue Tag an. Die Luft ist angenehm kühl, und frohen Schrittes mache ich mich auf den Weg. Die hügelige Landschaft der Pyrenäen erinnert mich ein wenig an unseren Schweizer Jura.

Über die Pyrenäen
Über die Pyrenäen
Schafe: Stau auf dem Weg

Stau! Schafe haben immer Vortritt!

Gegen Mittag schlägt die Hitze erbarmungslos zu, ich denke es sind unterdessen 30°C oder sogar mehr. Immer häufiger muss ich Pausen einlegen, meine Füsse beginnen zu brennen und meine Wasservorräte gehen langsam aber sicher zur Neige. Ohne frisches Wasser werde ich irgendwo in den Pyrenäen verdursten, und das bereits am ersten Tag. Meine ganzen Hoffnungen liegen nun beim sagenumwobenen Rolandsbrunnen, welcher in meinem Pilgerführer aufgeführt ist. In einem kleinen Wäldchen finde ich ihn und tatsächlich sprudelt dort ein kühles erfrischendes Nass.

Der Rolandsbrunnen
Der Rolandsbrunnen war meine Rettung

Frisch gestärkt respektive rehydriert überquere ich kurze Zeit später die Grenze nach Spanien, und so werde ich für die nächsten ca. 140 Kilometer durch die Provinz Navarra wandern. Vom höchsten Punkt, dem Col de Lepoeder auf 1430 Meter Höhe sind es nur noch 4.2 Kilometer bis Roncevalles, aber die haben es in sich. Extrem steil windet sich der Weg nach unten. Mehrere Male lege ich Pausen ein und wechsle meine durchgeschwitzten Socken. Nur nicht schon am ersten Tag Blasen kriegen denke ich. Ich habe wohl gute zwei Stunden für den Abstieg benötigt, bin dafür wohlbehalten unten angekommen. Im Restaurant gönne ich mir ein Bierchen und dann noch ein zweites. Ahhh tut das gut. Nun ist es aber an der Zeit mich für das Pilgermenü anzumelden und einen Schlafplatz zu organisieren. Das ist leichter gesagt als getan. Ich kann mich kaum noch vom Stuhl erheben, geschweige denn laufen. Aber das kommt sicher nicht vom Bier. Meine Muskeln schmerzen höllisch. Die Pilgerherberge von Roncevalles liegt in einem ehemaligen Hospiz und verfügt über 120 Betten in einem einzigen riesigen Raum. Die Herberge scheint nicht ausgebucht zu sein, denn mir wird glücklicherweise noch ein Bett unten zugeteilt. Diese sind sonst vor allem alten Männern und Frauen vorbehalten. Ich weiss nicht, ob ich es in meinem Zustand in die obere Etage und geschweige denn wieder runter geschafft hätte.

Ankunft in Roncevalles
Ankunft in Roncevalles
Roncevalles: Unterkunft mit 120 Betten

Unterkunft mit 120 Betten

Der nächste Morgen

Ich höre Kirchenmusik, wunderschöne, leise Kirchenmusik. Sanftes gedämpftes Licht fällt durch meine geschlossenen Augenlider. Ich schwebe. Ich fühle mich leicht und frei. Bin ich tot? Das fühlt sich gar nicht so schlecht an, denke ich. Bald mischen sich aber störende Geräusche zur Musik und dann: Grelles Licht. Ich öffne die Augen und finde mich wieder in der riesigen Schlafhalle der Herberge. Es ist sechs Uhr morgens, das ist der Weckruf von Roncevalles. Frühstück gibt es keines hier. Ich füttere den Automaten im Untergeschoss mit Kleingeld und erhalte dafür einen kaum geniessbaren Kaffee im Pappbecher. Dazu esse ich einen Müsliriegel. Um 7.30 Uhr starte ich mit schmerzenden Muskeln in den dunklen Wald. Nach knapp einer Stunde Marschzeit ist die erste Bar erreicht. Sie ist bereits gut mit Pilgern gefüllt, welche sich ein Frühstück leisten. Ich gönne mir einen Café con Leche (Milchkaffee) und ein Bocadillo con Jamon y Queso (Sandwich mit Schinken und Käse). In Spanien erhält man übrigens immer den leckeren luftgetrockneten Serranoschinken und nicht wie bei uns den mit Wasser aufgeblasenen Model- oder Formfleischschinken.

Allgemeine Infos zur Verpflegung auf dem Camino

Ich bin mir bewusst, dass es Pilger gibt, welche mit sehr wenig Geld unterwegs sind. Da bleibt wohl nichts anderes übrig als sich aus dem Rucksack zu ernähren. In einigen Herbergen kann man die Küche zum Kochen benutzen. In anderen wird Abendessen serviert, welches aber auch wieder ca. 9 Euro kostet. Über 9 Euro für eine komplette leckere Mahlzeit muss ich zum Glück nicht diskutieren, das leiste ich mir. Alle anderen halten sich an die Ladenöffnungszeiten: Morgens 9.30 Uhr bis 13.30 Uhr und Abends von 16.30 Uhr bis 20.00 Uhr. In grossen Städten ist zum Teil rund um die Uhr geöffnet. Sonntags sind die Geschäfte geschlossen.

Frühstück

In den meisten Herbergen gibt es kein Frühstück. Eventuell findet man einen Getränkeautomaten. Es macht also Sinn immer etwas Essbares für den Start in den Tag mitzuführen, zum Beispiel Müsliriegel. In einigen wenigen Herbergen ist Frühstück inbegriffen oder wird für ca. 2 Euro angeboten. Es gibt in der Regel Kaffee/Tee, Baguette mit Butter und Marmelade oder häufiger sogenannte Dolce, also Süssgebäck. Diese Frühstücke sind nicht sehr nahrhaft und halten nicht lange hin. Für mich persönlich hat es sich als optimal erwiesen, jeweils bis zur nächsten Bar zu laufen und dort etwas Anständiges zu essen. Ein Bocadillo con Tortilla Chorizo, also ein Sandwich mit einem Eieromelett mit Chorizowurst drin ist lecker und hält eine Weile hin. Dazu ein Café con Leche grande. Kostenpunkt so um die 5 Euro.

Lunch

Einige Kleinigkeiten als Zwischenverpflegung gehören immer in den Rucksack, zum Beispiel Müsliriegel, Energieriegel, Äpfel, Bananen oder Trockenfrüchte. In Bars sind verschiedene Sorten Bocadillos immer erhältlich, zum Teil auch Tapas. Fürs Mittagessen sind die spanischen Restaurants in der Regel zwischen 11.00 Uhr bis ca. 15.00 Uhr geöffnet. Pilgermenüs wiederum für ca. 9 Euro

Abendessen

Als Pilger kann Mann/Frau in Spanien verhungern. An die spanischen Essenszeiten am Abend konnte ich mich als Pilger nie gewöhnen. Man muss sich folgendes vorstellen: Ich komme so zwischen 16 und 17 Uhr in der Herberge an, bin müde und habe HUNGER. Es gibt aber nichts. Herbergen, welche Abendessen anbieten oder auch Restaurants in kleineren Orten, wo die Pilger die hauptsächliche Einnahmequelle bedeuten, haben sich angepasst. Da gibt es Abendessen ab 19.00 Uhr. Sonst ist aber vor 20.00 Uhr oder sogar 21.00 Uhr nichts zu bekommen. Bedenken muss man auch, dass in den Herbergen um 22.00 Uhr die Türen geschlossen werden, dann ist Nachtruhe angesagt. Pilgermenüs wiederum für ca. 9 Euro

Imbisswagen
Willkommene Erfrischung unterwegs

Der Weg führt heute vorwiegend durch den Wald, was sehr angenehm ist, hält er doch die Sonne ab. Ich leide nach wie vor unter den Strapazen vom Vortag. Besonders der steile Abstieg vom Alto de Erro hinunter nach Zubiri fährt mir in die Knochen. Deshalb ist nach 22 Kilometer dort Schluss für mich und heute. Die meisten laufen aber noch weiter bis nach Larrasoaña. Warum tun sie das? Ihr Pilgerführer bestimmt das so. Es gibt verschiedene Pilgerführer. Ich persönlich habe den Rother Wanderführer: Spanischer Jakobsweg benutzt. Die meisten unterteilen den Weg in 40 bis 42 Etappen, und an diese Etappen hält man sich strikt. Der Pilgerführer ist Gesetz. Dabei wäre man doch völlig frei die Etappen individuell einzuteilen. In Roncevalles sind heute Morgen wohl so um die hundert Pilger losmarschiert. In Zubiri teilen wir uns die alte Turnhalle, welche als Herberge dient, zu sechst. Der Rest drängt sich wohl in Larrasoaña. Klar, es gibt Orte, wo alle hin wollen und bleiben, das sind vor allem die grösseren Städte mit interessanten historischen Zentren, wie zum Beispiel Pamplona, Burgos oder Leon. Sonst gibt es aber zahllose Alternativen. Wichtigstes Kiterium für mich: Es gibt ein Restaurant oder die Herberge serviert Abendessen.

Pamplona

Pamplona oder auf baskisch Iruña ist die Hauptstadt der autonomen Region Navarra. Weltberühmt sind die lebensgefährlichen Stierläufe durch die Altstadt, welche jedes Jahr als Höhepunkt des Sanfermines-Festes zwischen dem 6. und 14. Juli stattfinden und das seit 1591. Populär wurde dieser Anlass vor allem durch den Roman Fiesta von Ernest Hemingway aus dem Jahr 1926 (Engl.: "The Sun Also Rises").

Stierkampfarena in Pamplona
Stierkampfarena
Veranstaltungsplakat "Stierkampf"
Fest zu Ehren von San Fermín

Eingangs Pamplona, schön am Fluss Arga gelegen, befindet sich das Casa Paderborn, eine kleine, sehr gepflegte Herberge, welche vom Freundeskreis der Jakobuspilger aus Paderborn geführt wird. Die zwei Hospitaleros (Herbergsväter) Bernd und Werner sind sehr fürsorglich und hilfsbereit und neben dem Frühstück am Morgen bieten sie sogar einen Wäscheservice an. Der Restauranttipp von Bernd: Café Palace. Dort gibt es durchgehend warme Küche! Die paar wenigen Tage, welche ich jetzt unterwegs bin, haben mir gezeigt, dass es in dieser Jahreszeit kein Problem ist, in den Herbergen ein Bett zu erhalten. Ich begebe mich also aufs Postamt und schicke Zelt und Thermarest-Matte nach Hause. Übrigens kann ich Pamplona bestens als Startpunkt für den Jakobsweg empfehlen. Man kann sich so die kräftezehrende Überquerung der Pyrenäen sparen. Am Anfang ist man ja meist noch nicht in körperlicher Hochform.

Immer weiter nach Westen

Auch Bernd und Werner wecken mich mit Kirchenmusik, servieren das Frühstück und entlassen mich mit dem üblichen "Buen Camino" auf die nächste Etappe. Schon bald liegt Pamplona hinter mir und mein Weg führt mich durch eine sanfte hügelige Landschaft. Der Wald wird immer weniger, dafür nehmen abgeerntete Getreidefelder immer mehr Raum ein.

Hügelland ausserhalb von Pamplona
Hügelland ausserhalb von Pamplona
Pilgerdenkmal auf dem Alto de Perdón

Pilgerdenkmal auf dem Alto de Perdón

Der Weg stellt jetzt keine besonderen Schwierigkeiten mehr. Das Wetter ist meist leicht bewölkt aber trocken, ideal zum Wanderen. Die Getreidefelder wechseln jetzt immer öfters ab mit Weinbergen und kleinen Olivenplantagen. Auch Mandelbäume sind häufig anzutreffen und laden zum Nüsse sammeln ein. Etwas, worauf sich viele Pilger freuen ist der Fuente de Vino, der Weinbrunnen. Er befindet sich beim Kloster Irache kurz nach der Ortschaft Estella. Ich komme am Sonntag Morgen dort an und ohjeh, der Brunnen ist leer. Am Wochenende ist natürlich keiner da um ihn aufzufüllen. Beim zweiten Zapfhahn gibt es nur Wasser und selbst der gläubigste Gläubige wäre nicht imstande daraus Wein zu machen.

Weinbrunnen von Irache
Weinbrunnen von Irache

Ich bin jetzt genau eine Woche unterwegs, aber es scheint mir eine Ewigkeit zu sein. Es gibt so viel Neues zu entdecken. Die Welt, die Landschaft, verändert sich mit jedem Schritt, mit jedem Tritt. Das Laufen ist Arbeit, es ist monoton und doch nie langweilig. Gegenüber der Routine zu Hause schafft das Wandern hier Erinnerung und lässt die Zeit langsamer verstreichen. Ich werde ab und zu gefragt, warum ich auf dem Camino nach Santiago laufe. Ich antworte jeweils: "Um die Zeit zu verlangsamen".

Ich habe jetzt meinen Rythmus gefunden und laufe 20 bis 25 Kilometer pro Tag. So treffe ich auch immer wieder dieselben Pilger, welche ein ähnliches Tempo laufen. Ich habe schon erwähnt, dass die Franzosen und Spanier in der Regel kein Englisch sprechen. Da gehen Begegnungen meist nicht über ein "Hola, buen camino" hinaus. Der Rest der Welt findet so automatisch zusammen. Die meisten laufen für sich, laufen ihr eigenes Tempo. Unterwegs in einer Bar oder spätestens am Abend trifft man sich wieder. Zum Beispiel Tony aus Irland, Nick aus Deutschland, James und Christine aus Australien und sogar ein Paar aus Korea war einmal dabei.

Allgemeine Informationen über Unterkünfte

Die Pilgerführer geben Auskunft über Grösse und Art der Herbergen. Damit lassen sich die Tagesetappen sehr gut planen. Der Führer sollte aber aktuell sein, denn es gibt immer wieder Änderungen. Neben der Herbergen gibt es aber viele weitere Unterkünfte, welche unerwähnt bleiben: Hotels, Pensionen, Unterkünfte auf Bauernhöfen usw. Meist findet man an den Anschlagbrettern in den Herbergen weitere Informationen über Unterkünfte, welche die nächsten Etappen betreffen. Mit Werbetafeln am Orsteingang und mittels Zetteln und Plakaten auf Kandelabern und Hauswänden wird ebenfalls auf Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurants aufmerksam gemacht. Zum Teil werden auch direkt am Weg Flyer verteilt.

Herberge, Albergue

Die Herbergen sind die günstigste Möglichkeit zu Übernachten. Sie kosten je nach Standart zwischen 5 und 10 Euro, ausnahmsweise auch Mal 15 Euro. Die privaten Herbergen sind in der Regel etwas teurer als die staatlich- oder kirchlich geführten. Die günstigsten Herbergen sind in Galizien diejenigen der galizischen Landesregierung. Diese kosten einheitlich 3 Euro.
Die Herbergen sind in der Regel mit Kajütenbetten ausgrüstet. Matratzen und Kopfkissen sind vorhanden und man schläft im eigenen Schlafsack. Ich denke, dass zwischen den zwei Heiligen Jahren 2004 und 2010 einiges in die Herbergen investiert wurde, denn sie machten im grossen und ganzen einen guten und sauberen Eindruck. Nie hatte ich eine durchhängende Matratze und womit ich auch nicht gerechnet habe: Die Bettwäsche (Leintücher und Kissenbezüge) wurden jeden Tag ausgewechselt und gewaschen!

Hotels, Pensionen

Ab ca. 30 Euro findet man immer irgendwo eine entsprechende Unterkunft. Oft hat man die Wahl zwischen 1, 2, 3 oder 4-Bett Zimmer. Wenn man sich die Kosten teilen kann ist es nicht viel teurer als in einer Herberge. Man hat mehr Privatsphäre, keine verordnete Nachtruhe und keinen Weckruf.

Wald, der Schatten spendet gibt es jetzt praktisch keinen mehr, dafür um so mehr Weinberge. Ich befinde mich bereits im Gebiet des Rioja und die Weinernte hat begonnen.

Weintrauben
Die Weinlese hat begonnen
Traubenlese
Weintrauben
Endlose Weinfelder
Unendliche Felder mit Weintrauben

Neben den Getreidefeldern und Weinbergen bieten ab und zu verdörrte Sonnenblumenfelder etwas Abwechslung. Im Hochsommer, Juli und August muss die Hitze hier mörderisch sein. Es ist die Zeit mit den meisten Pilgern, denn da haben die Franzosen und Spanier ihre Urlaubszeit.

Verblühte Sonnenblumen
Stumme Zeugen
Pilger unterwegs

Alles ist trocken und dürr

Eigentlich komme ich ganz gut voran, nur plagt mich seit dem ersten Tag ein Problem. Mein rechtes Schienbein schmerzt. Es ist wohl eine Art sich anbahnende Knochenhautentzündung oder etwas Ähnliches. Ich habe gelesen, dass dies durch Überbelastung geschehen kann. Auch Jogger kennen dieses Problem. Die Pyrenäen gleich am Anfang waren wohl zu viel des Guten. Der Schmerz ist zwar am nächsten Morgen jeweils verschwunden, stellt sich aber so nach 20 Kilometer Marsch wieder ein. Und es wird eher schlimmer als besser. Unterwegs habe ich mir deshalb eine Tube Voltarensalbe gekauft und hoffe, dass es damit bessert. Übrigens, habe ich den Eindruck, dass es nirgends auf der Welt eine so grosse Dichte an Apotheken gibt wie hier am Camino. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass der Weg wohlweislich immer direkt an den Apotheken vorbeiführt.

Heute habe ich mal versucht ein ganzes Pilgermenü zum Lunch zu verspeisen und dafür am Abend nur eine Kleinigkeit zu essen. Nur, so vollgestopft zu laufen geht halt nicht so gut. Oder war wohl die halbe Flasche Wein daran schuld? Mit der Kleinigkeit am Abend hat es auch nicht geklappt, denn ich hatte wieder Lust und Appetit auf ein ganzes Menü. Heute bin ich mit Chris, Noel und Bernadette aus Irland unterwegs. Die drei sind in Irland gestartet und bewältigen den Jakobsweg aber in Etappen. Pro Jahr sind sie im Urlaub jeweils zwei Wochen unterwegs.

Für die drei Iren ist es heute der letzte Tag auf dem Camino, für dieses Jahr auf jeden Fall. Unser Tagesziel ist Burgos. Mein Pilgerführer sagt, dass die letzten zehn Kilometer bis Burgos durch trostlose Vororte und Industriegebiete führen. Noel und Bernadette haben keine Lust darauf und nehmen den Bus. Chris und ich laufen gemeinsam weiter und nehmen eine empfohlene alternative Route, welche über Castañares und dann am Ufer des Rio Arlanzón entlang in die Altstadt von Burgos führt. Auf dem Land ist die Orientierung mittels Wegmarkierungen einfach, ein Verlaufen ist praktisch unmöglich. In der Stadt braucht es aber volle Konzentration um ja keine Markierung zu verpassen. Da können die Markierungen im Gehsteig eingelassen sein, oder es ist eine Jakobsmuschel auf einem Mülleimer, oder ein gelber Pfeil in drei Meter Höhe an einer Fassade usw. Die Augen müssen überall sein. Chris und ich waren jedoch so in unser Gespräch vertieft, dass wir uns heillos verlaufen haben. In die Stadt hinein ist das aber kein weiteres Problem. Man hält nach einer Kathedrale ausschau oder fragt danach und schon ist das Ziel erreicht. Mit dem Eintreffen in der Herberge beginnt es zu regnen und bald zieht ein heftiges Gewitter über die Stadt. Der Regen hört erst in den frühen Morgenstunden auf. Burgos will ich mir aber in aller Ruhe bei gutem Wetter ansehen. Ich lege also einen Tag Pause ein. Das wird auch meinem Schienbein gut tun.

Burgos
Burgos
Rast mit einem "Kollegen" in Burgos

Rast mit einem Kollegen

Der Geist des Camino

Ich deponiere am Morgen meinen Rucksack und besichtige die Kathedrale, ein Meisterwerk der gotischen Baukunst. Die Cathedral de Santa Maria wurde 1221 unter König Fernande III begonnen und im 16. Jahrhundert vollendet.

Catedral de Santa Maria
Catedral de Santa Maria
Catedral de Santa Maria
Catedral de Santa Maria

Danach hole ich mein Gepäck und marschiere zur nächsten Herberge, welche nur etwa 300 Meter entfernt ist. Dort wartet schon Laura, eine junge hübsche Spanierin mit ihrem Freund. Auch sie ist nur von der einen zur anderen Herberge gewechselt, weil sie sich scheinbar nicht wohl fühlt. Um 11.00 Uhr öffnet der Hospitalero die Tür und wir wollen einchecken. Ich erkläre ihm, dass mein Schienbein schmerzt und ich deshalb nur 300 Meter gelaufen bin. Ich war der Meinung, man dürfe nicht zweimal in derselben Herberge übernachten, er war der Meinung man dürfe nicht zweimal in derselben Stadt übernachten. Ein schmerzendes Schienbein ist wohl zuwenig krank um eine zweite Übernachtung zu rechtfertigen. Ich hätte also ein Hotel suchen oder zehn Kilometer weiter pilgern müssen. Da mischt sich Laura ein. Sie diskutiert mit ihm auf spanisch, ich habe natürlich nicht viel verstanden. Das Resultat war, dass Laura und ich bleiben dürfen ihr Freund, welcher ja gesund ist muss gehen. Das geht natürlich nicht. Laura bricht in Tränen aus und macht eine riesige Szene bis sich der Hospitalero erweichen lässt und uns allen Asyl gewährt. Nachträglich kann ich sagen, dass wir niemandem einen Platz weggenommen haben. Die Herberge war auch am Abend nicht ausgebucht.

Ich halte mich den ganzen Tag ruhig, pflege mein Bein, lese ein Buch und trage mein Tagebuch nach. Die kranke Laura und ihr Freund deponieren ihre Rucksäcke auf ihren Betten und verschwinden in der Stadt. Am späteren Nachmittag kommen die beiden zurück, munter und ziemlich angeheitert. Das ist zuviel für den guten Hospitalero. Er zitiert Laura zu sich und sie muss eine ziemlich lange Moralpredigt über sich ergehen lassen. Ein paar wenige Brocken spanisch habe ich verstanden und aus dem Tonfall des Hospitaleros und aus Kenntnis der Vorgeschichte konnte ich mir sehr gut zusammenreimen um was es ging. Laura hat sich eine Übernachtung erschlichen, obwohl sie gesund war. Sie wollte sich einfach einen freien Tag machen und etwas Spass in der Stadt haben. Das geht natürlich nicht. Das widerspricht dem Geist des Camino. Es gibt ungeschriebene Gesetze. Ein Pilger muss jeden Tag unterwegs sein, soweit es seine körperliche Verfassung zulässt. Das Ziel ist Santiago und sonst gar nichts. Pilgern ist keine Ferienreise fürs Vergnügen. Soweit so gut. Ich finde es in Ordnung, dass es diese Regeln gibt. Gerade dass man jeden Tag unterwegs ist, bei Wind und Wetter, bei Hitze oder Kälte oder in strömendem Regen, dass man sich durchbeissen und überwinden muss, gerade das macht den Geist des Camino aus.

Auf der anderen Seite: Es gibt Pilger die sind länger unterwegs als ich, und da braucht der Körpert ab und zu einen Tag Pause. Das muss einfach drinliegen. Die Pause muss drinliegen bevor man überhaupt nicht mehr laufen kann. Was bedeutet ernsthaft krank im Sinne des Camino? Ist das kurz bevor die letzte Ölung ansteht? Mein schmerzendes Schienbein wäre unter normalen Umständen nie als krank durchgegangen. Doch die Pause hat mir gutgetan. Die Beschwerden waren danach verschwunden und sind nie mehr zurückgekehrt.

Jakobsmuschel aus dem Automaten
Jakobsmuschel aus dem Automaten

Die Bedeutung der Jakobsmuschel

Die Legende besagt folgendes: Der Leichnam des Apostels Jakobus sollte nach Spanien überführt werden. In der Nähe der Stadt Padròn erwartete ein portugiesischer Ritter die Ankunft das Schiffes an der Anlegestelle. Das Licht eines Sterns erleuchtete das Antlitz des Leichnams in dem Masse, dass das Pferd des Ritters erschrak, ins Meer sprang und den Ritter mit sich in die Tiefe riss. Auf wundersame Weise wurde der Ritter gerettet, sein Körper war aber über und über mit Muscheln bedeckt, welche man seither Jakobsmuscheln nennt. Seit diesem Tag ist die JaKobsmuschel das Schutzsymbol und Erkennungszeichen der Jakobspilger. Die meisten Pilger tragen sie heutzutage an ihrem Rucksack. Früher hatte sie aber noch eine praktische Funktion. Auch aus der flachsten Pfütze liess sich damit noch Wasser schöpfen. Eine symbolisierte Jakobsmuschel, gelb auf blauem Grund, dient heute auch als Wegmarkierung auf dem Weg nach Santiago de Compostela.

Wegmarkierungen duch Jakobsmuschel-Symbol

Durch die Tierra de Campos nach León

Ab Burgos Führt der Weg durch die unendlich scheinenden eintönigen Getreidefelder der zentralspanischen Hochebene, der Meseta. Kaum ein Baum spendet Schatten. Im Sommer muss das die Hölle sein.

Es ist eine Montonie welche einen zermürben kann. Abwechslung bietet einzig das Spiel der Wolken am Himmel. Zum Teil geht der Weg immer geradeaus in die Unendlichkeit. Sind wohl die zehn Kilomerter endlich geschafft? Hinter diesem Hügel muss doch das Dorf mit der Bar sein. Doch hinter dem Hügel folgt nur ein weiterer Hügel und dann noch einer. Solange sich die Gendanken im Kreise drehen ist das Laufen hier eine Qual. Doch plötzlich lösen sich die Gedanken auf. Ich denke nichts mehr, laufe nur noch. Es ist ein Zustand welchen man Flow nennt, ein Zustand vollständiger Harmonie mit sich und der Umwelt.

Wegweiser mit Jakobsmuschelsymbol
Die Muschel weist den Weg

Unterdessen hat sich eine neue internationale Truppe zusammengefunden.

Internationale Pilgergruppe
International: Roland, Luciano, Kate, Mari und Mike

Da ist also mal Roland. Er kommt aus Frankreich und spricht, wie könnte es anders sein, kaum Englisch. Luciano stammt aus Rumänien, Kate aus Neuseeland, Mari aus Schweden und Mike aus England. Auch wenn wir zum Teil getrennt laufen, so machen wir spätestens für den Abend in einer Herberge ab. Meist starten die fünf früher als ich. Mike steht ausnahmslos Punkt 6.00 Uhr auf und beginnt zu packen. Er macht auf mich dabei immer einen etwas gestressten Eindruck. Ich bleibe liegen bis es etwas ruhiger wird. Bis der letzte der fünf bereit ist, ist es sicher schon gegen 7.30 Uhr. Erst dann stehe ich gemütlich auf und bin so auch vor acht Uhr unterwegs. Das grosse Staunen erfolgt dann jeweils in der ersten Bar, wenn ich mit nur wenigen Minuten Verpätung eintreffe. Mike meinte zu mir, er habe auf dem gesamten Camino noch niemanden getroffen, der das Ganze so relaxt angeht wie mich. In Castrojeritz treffen wir eine lebende Legende. Es ist José Antonio García Calvo, ein ehemaliger Hochseefischer, welcher von der Heiligen Jungfrau Maria persönlich aus Seenot gerettet wurde, als sein Schiff vor Spitzbergen sank. Seit diesem Moment hat er sein Leben dem Pilgern verschrieben und so mehrere zehntausend Kilometer zu Fuss zurückgelegt. Es sollen unterdessen so gegen 100'000 Kilometer sein, meint er. Höhepunkte seines Pilgerlebens waren eine Audienz beim Papst und eine beim Dalai Lama im Tibet.

Mari und José Antonio García Calvo
Mari und José Antonio García Calvo
Zeitungsbericht über José Antonio García Calvo

José Antonio García Calvo ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Ich glaube, er ist ohne einen einzigen Euro in der Tasche unterwegs. Seine Geschichte allein ist Garant dafür, überall kostenlos Unterkunft und Essen zu erhalten. Seine Ausrüstung sieht alt und vergammelt aus, und er selber macht auch einen ziemlich ungepflegten Eindruck. Ich habe darauf geachtet, ihm nicht zu Nahe zu kommen und habe in der Herberge ein Bett in möglichst grosser Entfernung zu ihm ausgewählt. Ein weiser Entschluss. Mari hat sich am nächsten Morgen über Juckreiz beklagt. Da haben wohl einige Untermieter ihren Wirt gewechselt.

Der längere Weg ist der kürzere

Oft bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Routenwahl an. Die kürzere Strecke lehnt sich meist eng an den historischen Originalverlauf des Camino an. Das bedeutet aber in der Regel auch, dass der Weg einer lärmigen Autobahn folgt. Die Alternative ist meist etwas länger aber landschaftlich attraktiver. Ich wähle immer die längere Strecke, denn sie ist mental die kürzere. So auch heute. Ich wandere von Calzada del Coto aus über Calzadilla de Los Hermanillos nach Reliegos. Man muss sich diesen Ort mal auf der Zunge zergehen lassen: Calzadilla de Los Hermanillos. Tönt das nicht nach einem Italowestern? Musik von Sergio Leone? Gleich kommt John Wayne angeritten und verfolgt einen Bösewicht.

In Calzadilla de Los Hermanillos bleibe ich für die Nacht. Auch hier sind wir nur zu viert: Alex aus North Carolina, Carole aus der Schweiz, Björn aus Norwegen und ich. Die Nächte werden schon wieder kühl und so entfacht unser Hospitalero Antonio nach dem Abendessen ein gemüliches Feuer im Kamin und spendiert ein paar Flaschen Wein. Besonders Björn hat eine interessante Biografie. Er ist Programmierer. Er arbeitet jeweils vier Wochen und macht dann wieder vier Wochen Urlaub. Diesen Lebensstil pflegt er seit acht Jahren. Er meint dazu: "Was ich hier mache hat eigentlich etwas fast Sinnloses an sich, denn ich mache es nur für mich und weil es mir Spass macht. Die meisten Menschen auf dieser Erde können nichts nur zum Spass machen. Sie haben weder Perspektiven noch Optionen in ihrem Leben". Diese Aussage liegt doch sehr Nahe an dem Spruch: "Uns geht es so gut, weil es den anderen so schlecht geht". Auch wenn wir selbst uns freiwillig einschränken und auf Möglichkeiten verzichten würden, es ginge deshalb niemandem besser, ausser vielleicht dem eigenen Gewissen. Die Sachverhalte und Probleme sind viel komplexer, als sie mit so einer simplen billigen Formel auf den Punkt zu bringen. Wir haben so bis weit über Mitternacht hinaus diskutiert, philosophiert und Wein getrunken und Antonio war dann so gnädig, uns erst um 7.30 Uhr zu wecken. Welch eine Wohltat. Und es ist kein Mike da, welcher bereits um 6.00 Uhr Radau macht.

Mystische Stimmung nach dem Regen
Der frühe Morgen ist immer am schönsten

In der Nacht hat es geregnet, so dass die Luft jetzt sauber und frisch ist. Zum letzen Mal laufe ich über endlose Getreidefelder bis nach Mansilla de las Mulas. Dies ist bereits ein Vorort von León. Hier treffe ich Roland, Luciano, Kate, Mari und Mike wieder. Von hier ist es nur noch ein kurzer Weg bis nach León, so dass wir schon gegen Mittag dort eintreffen. Es ist also mehr als genug Zeit vorhanden sich die Stadt in aller Ruhe anzusehen. Welch ein Kontrast, das volle Leben hier im Vergleich zu den ausgestorbenen fast menschenleeren Dörfern unterwegs. Der Norden ist bekannterweise das ärmste Gebiet von Spanien. Einige Grossbauern bewirtschaften das Land. Für alle anderen gibt es keine Arbeit. Kinder und junge Menschen findet man in den Dörfern kaum mehr. Ab und zu sieht man noch einen Greis in seinem Garten arbeiten. Seit das Pilgern einen Aufschwung erlebt finden wenigsten entlang des Camino einige Leute ein Auskommen. Für dortige Verhältnisse sind die Herbergen und Bars reine Goldgruben.

León
León
Plaza Major in León

Plaza Major

Sehenswert ist die Kathedrale, ein frühgotisches Bauwerk mit ihren, für Spanien, einzigartigen Glasmalereien. Durch 125 bis zu 12 Meter hohen Fenster fällt das Licht ins innere der Kathedrale und leuchtet diese harmonisch aus. Die Fenster umfassen eine Fläche von insgesamt 1900m².

Catedral de León
Catedral de León
Farbige Kirchenfenster der Catedral de León
Catedral de León, Innenansicht
Farbige Kirchenfenster der Catedral de León

Nur noch 323.2 Kilometer bis Santiago de Compostela

Die Orientierung aus León raus gestaltet sich ziemlich schwierig, denn der Weg ist schlecht markiert. Schuld sind sicher auch die Baustellen. Markierungen verschwinden und niemand denkt daran sie zu ersetzen. Bei Virgen del Camino trennt sich der Camino erneut. Ich habe die Wahl zwischen 33.1 Kilometer entlang der Autobahn oder einer Route über Land, welche 6.5 Kilometer länger ist. Ich wähle die längere Möglichkeit und bin wieder alleine unterwegs. Ich staune immer wieder, vieviele Pilger stur der Autobahn entlang wandern. Eigentlich tun es die meisten. Erst dachte ich, es gehe hier vor allem ums Prinzip, möglichst eng der originalen, historischen Streckenführung aus dem Mittelalter zu folgen. Doch der Grund ist meist ein anderer. All die Zusatzkilometer summieren sich und so benötigt man plötzlich einige Tage mehr um Santiago zu erreichen oder das Tagespensum wird so hoch, dass es nicht mehr bewältigt werden kann. Viele Pilger haben den Termin ihrer Rückreise aus Santiago so knapp kalkuliert, dass kaum ein Tag Spielraum bleibt. Ich aber habe noch massenhaft Zeit und kann es gemütlich nehmen. In Vilar de Mazarife treffe ich Roland, Luciano, Kate und Mike wieder. Sie haben also auch die längere Route gewählt. Super, damit habe ich nicht gerechnet. Für Morgen haben sie aber eine längere Strecke geplant als ich. Das wird wohl unser letzter Abend zusammen sein. Heute habe ich nur 20 Kilometer gemacht, bis nach Santibáñez de Valdeiglesias. In diesem ausgestorbenen Dorf habe ich wirklich das Gefühl am Ende der Welt zu sein. Wir sind wiederum zu viert in der Herberge: Genette aus Australien, Catherine, welche in einer Mennonitenfamillie aufgewachsen ist kommt aus Kanada, dazu noch Jean-Pierre aus Frankreich und ich. Da es hier kein Restaurant gibt, kochen die zwei Hospitaleros etwas leckeres, und wir geniessen einen gemütlichen Abend. Frühstück gibts hier leider keines. Die angebrochenen Flaschen Wein vom Vorabend stehen aber immer noch auf dem Tisch. Ein Müsliriegel und zwei Gläser Wein tuns auch für einen guten Start in den Tag. Heute ereiche ich Astorga. Darauf habe ich mich schon lange gefreut, steht doch hier der Bischofspalast der von Antoni Gaudí (1852-1926) entworfen wurde. Der Palast wurde jedoch nie als Bischofssitz genutzt. Seit 1963 beherbergt er das Museo de los Caminos zur Geschichte des Jakobswegs.

Bischofspalast von Gaudí in Astorga
Bischofspalast von Gaudí in Astorga

Neuer alter Pilgerpartner

Zu meiner Überraschung treffe ich in Astorga Mike wieder an. Roland, Luciano und Kate sind allein weitergezogen. Sie sind etwas knapp dran mit ihrem Terminplan und wollen jetzt längere Etappen einlegen. Mike hatte schon die letzten Tage Mühe, dem Tempodiktat von Roland zu folgen und büsst es jetzt mit einem schmerzenden Knie. Die Länge der Strecke war nie ein Problem, nur das Tempo. Wir sind beide nicht in Zeitdruck und so beschliessen wir gemeinsam weiter zu pilgern. Ich werde auch ein bischen Balast los, indem ich meine angebrochene Tube Voltaren an Mike übergebe. Die Landschaft wird langsam wieder dreidimensional. Die unendlichen Ebenen liegen hinter uns und die Montes de León vor uns. Meine Aufgabe ist es nun, Mike immer wieder zu bremsen, wenn er zu schnell laufen will. Mike ist zwar seit zwei Jahren Rentner und könnte es ruhig nehmen. Vorher hatte er in London einen über 200-Jahre alten Pub geführt. Da ging es immer hektisch zu und her. Diese Hektik ist ihm wohl im Blut geblieben. Mike ist immer in Bewegung, immer aktiv.

Mike im Aufstieg nach Foncebadón
Mike im Aufstieg nach Foncebadón
Ankunft in Foncebadón
Ankunft in Foncebadón

Den Pub führt jetzt seine Tochter. Er selber macht ab und zu noch Ferienaushilfe. Seit seiner Pensionierung lebt er mit seiner Frau in Malaga. Seine Frau geniesst den Strand und Mike, der halt nicht rumliegen mag geht pilgern. Foncebadón ist ein Ort, welcher nur dank dem erneuten Aufschwung der Pilgerbewegung vor dem totalen Zerfall gerettet wurde. Unterdessen gibt es wieder einige Herbergen hier.

Wir sitzen gemütlich bei einem Bier, da sagt einer: "Habt ihr schon gehört? Der Papst besucht diesen Herbst Santiago de Compostela". "Das liegt doch auf der Hand, schliesslich haben wir ja ein Heiliges Jahr. Wann ist es denn soweit"? frage ich. "Am 6. November ist eine grosse Feier geplant" erhalte ich als Antwort. "Am 5. November habe ich meinen Flug nach Hause" sage ich, "wann habt denn ihr im Sinn in Santiago zu sein"? Es geht uns allen gleich. Auch wenn die meisten wie ich noch noch bis nach Fisterra, ans Ende der Welt, laufen wollen, wir werden um den 6. November herum wieder in Santiago sein. Es wird alles in weitem Umkreis ausgebucht sein. Hunderte von zusätzlichen Pilgern werden die letzten 100 Kilometer unter die Füsse nehmen, um auf diesen Termin in Santiago einzutreffen. Bis nach Santiago werden wir alle 800 Kilometer oder mehr gepilgert sein. Die Aussicht, wegen dem Papst keine vernünftige Unterkunft mehr zu finden ist nicht gerade erfreulich. Wahrscheinlich wird man für den Ansturm an Fusspilgern vorgesorgt haben, doch allein der Gedanke an diesen Menschenauflauf hat etwas Beängstigendes an sich. Wir sind alle derselben Meinung: Den Papst, den bräuchten wir jetzt wirklich nicht.

Cruz de Ferro und Manjarín

Ein schlichtes Eisenkreuz auf einem Eichenpfahl, das ist das Cruz de Ferro. Wir erreichen es mit dem Sonnenaufgang auf der Hochebene des Monte Irago. Der Pfahl steckt in einem Steinhaufen, welcher sich von Jahr zu Jahr vergrössert. Viele Pilger legen hier einen Stein ab, welchen sie von zu Hause mitgenommen haben. Dieses Ritual hat die Bedeutung des Ablegens einer Seelenlast oder auch des Ablegens seiner bisherigen Süden, durch die Läuterung, welche man auf dem Weg bis hierher erfahren hat. Viele Pilger legen auch andere Gegenstände hier ab, was aber nicht gern gesehen wird.

Das Cruz de Ferro soll seit der Römerzeit bestehen. In den 50er Jahren wurde der Haufen um 300 Meter verschoben und wieder neu aufgeschüttet. So liegt er jetzt direkt an der Autostrasse und ist auch für motorisierte Besucher leicht zugänglich. Das auf jeden Fall erzählt Tomás, welcher die Herberge von Manjarín führt. Manjarín hat einen einzigen Einwohner und das ist Tomás und das einzige noch einigermassen bewohnbare Haus ist seine Herberge. Tomás sieht sich als Nachfahre der Tempelritter, welche im Mittelalter für die Sicherung der Pilgerwege zuständig waren. Seine Herberge ist wohl die speziellste auf dem gesamten Camino. Wir machen einen kurzen Halt um einen Kaffee zu trinken, was wir aber besser hätten sein lassen. Sowas schreckliches habe ich noch nie getrunken. War der Kaffee wohl aus gerösteten Eicheln gebraut, oder sogar aus aufgegossenem Ziegenmist?

Mike und ich haben unseren Rythmus gefunden und wir kommen gut voran. Sein Knie ist dank dem gemächlicheren Tempo wieder völlig in Ordnung. Wir geniessen unser Pilgern und ziehen von Bar zu Bar. Immer wieder treffen wir ein spanisches Ehepaar. Sie sind sehr langsam unterwegs. Wir überholen sie und jedesmals wenn wir in einer Bar sitzen ziehen sie erneut an uns vorbei. Wir winken ihnen zu und rufen "Hola, buen camino" und haben unseren Spass daran. Wir werden geistig richtig kreativ und denken darüber nach einen neuen Pilgerführer herauszubringen. Der Titel wäre: "Trink dich nach Santiago".

Der Tag an dem die Zeit stehen blieb

So vergehen die Tage, bis wir in Cacabelos ankommen. Heute ausnahmsweise erst um 18.00 Uhr, denn es standen wiederum einige Bars an der Strecke. Ausserdem liessen wir es uns nicht nehmen noch eine Bodega zu besuchen und den Wein zu verkosten. Das war wirklich ein perfekter Pilgertag.

Dies ist sicher die originellste Herberge am Weg. Sie besteht aus winzigen Zweibettkabinen welche im Halbkreis um die Kirche angeordnet sind. Wie jeden Abend schalte ich kurz mein Mobiltelefon ein und da erreicht mich der schicksalshafte Anruf von zu Hause. Mein Vater hatte einen Herzstillstand. Man konnte ihn zwar zurückholen, aber man weiss nicht wie lange er ohne Luft war. Das werden erst die weiteren Tests zeigen. Er liegt jetzt im Koma und sein Zustand ist den Umständen entsprechend stabil. Ich denke an die Berichte über den Jakobsweg, die behaupten, dass bei jedem einmal die Tränen fliessen. Nette Geschichte dachte ich, passt gut zu einem spirituellen Weg. Und jetzt ist es also bei mir soweit. Ich hadere mit meinem Schicksal. Warum muss es gleich eine so tragische Nachricht sein? Hätte ein verstauchter Fuss nicht auch gereicht? Mike kann mir auch nicht helfen. Was soll man auch sagen in einer solchen Situation? Die Herberge hat Gratis-Internet. Ich versuche also eine Möglichkeit zu finden möglichst rasch nach Hause zu kommen. Doch das Internet ist extrem langsam und der Computer stürzt ständig ab. Es ist zum Verzweifeln. Hier und jetzt kann ich nichts mehr unternehmen. Ändern kann ich sowieso nichts und erzwingen erst recht nicht. Morgen ist auch noch ein Tag. Ich bin losgezogen um die Zeit langsamer verstreichen zu lassen, und jetzt bleibt sie einfach stehen. Wir laufen heute bis nach Vega de Valcarce. In der Herberge hat es ein funktionierendes Internet. Javier ein Spanier, welcher Englisch spricht hilft mir durch die spanischen Internetseiten um einen Heimweg zu finden. Ich glaube es ist fast einfacher irgendwie nach Australien zu kommen als vom Jakobsweg wieder nach Hause. Wir haben also folgende Möglichkeit herausgefunden: Ich laufe Morgen weiter bis O Cebreiro. Dort endet mein Camino. Ich laufe dann die Strasse runter bis nach Pedrafita do Cebreiro. Dort hält um 16.20 Uhr der Überlandbus der von Madrid nach Santiago de Compostela fährt. Von Santiago aus kann ich dann nach Hause fliegen. Der Flug ist gebucht. Wir trinken noch eine Flasche Wein zusammen, aber das hilft nichts, ich finde trotzdem keinen Schlaf. Die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich: Hirntot! Die lebenserhaltenden Massnahmen werden eingestellt.

Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.
Albert Schweitzer (1875 - 1965)

Durch die Auseinandersetzung mit dem Tod habe ich das Angebot "Lebenserinnerungen" entwickelt.

Kreuze im Gegenlicht: Die Zeit steht still
Die Zeit steht still

Mein letzter Tag auf dem Camino

Der Aufstieg nach O Cebreiro ist gefürchtet, sind doch nochmals fast 700 Höhenmeter zu bewältigen. Allerdings sind Mike und ich in Hochform und schaffen die 12 Kilometer in drei Stunden. Unterwegs passieren wir auch den Grenzstein, welcher besagt, dass wir uns nun in der Provinz Galizien befinden. Mit der Höhe geht der Wald stetig zurück und gibt den Blick auf die umliegenden Berge frei. Vor genau vier Wochen bin ich in den Pyrenäen gestartet. Rund 650 Kilometer liegen dazwischen und doch sind sich die Landschaften des ersten und dieses letzten Tages erstaunlich ähnlich. Der Abschied naht. Wir wollen es kurz und schmerzlos machen. Auch Mike hat jetzt die Tränen in den Augen. Jeder muss nun seinem eigenen Weg folgen.

Letzter Tag, 20.10. 2010
Letzter Tag, 20.10. 2010

Ein Jahr später

Eigentlich wollte ich auf den Tag genau, aber ein Jahr später meinen Camino fortsetzen. Das liess sich so aber nicht realisieren. Deshalb stehe ich jetzt bereits am 16. September 2011 wieder in O Cebreiro. Dieses Dorf ist heute ein denkmalgeschütztes Museumsdorf und eines der ältesten Pilgerrefugien am Jakobsweg. Bereits ab Mitte des 9. Jh. kümmerten sich hier die Benediktinermönche um die Pilger.

O Cebreiro
O Cebreiro, 16.09.2011
O Cebreiro
Souvenirs für Pilger

Diesmal bin ich aber nicht alleine unterwegs. Meine Lebenspartnerin Ursula und ihre Tante Marie begleiten mich auf dem letzten Stück bis Santiago de Compostela.

Marie und Ursula
Marie und Ursula
Endlich wieder als Pilger unterwegs
Endlich wieder unterwegs

Vor bald einem Jahr erhielt ich den tragischen Anruf. Mit unseren modernen Kommunikationsmitteln erfahren wir beinahe in Echtzeit, was irgendwo auf der Welt geschieht. Ob das jetzt wichtig ist oder nicht. Das meiste ist unwichtig. Auf meinen Reisen verzichte ich bewusst auf Informationen, auf Zeitungen, Fernsehen und Internet. Das ist Erholung. Die meisten Informationen sind nur belastend und ändern kann man sowieso nichts. Obwohl uns die Medien etwas anderes weismachen wollen, so muss man sich bewusst sein, dass wir, trotz all der Konflikte und Kriege, welche es leider nach wie vor gibt, in einer Welt leben welche noch nie so stabil, sicher und in grossem Masse friedlich war wie heute. Wenn ich von einer Reise zurückkomme, finde ich mein Zuhause in der Regel so vor wie ich es verlassen habe. Das war früher anders. Ein Pilger war vielleicht ein halbes Jahr unterwegs, oder auch ein ganzes. Und da war er erst in Santiago und musste wieder zurück. Es war schon ein Glück, selber diese Reise zu überleben. Informationen von Zuhause gab es nicht. Es konnte vieles geschehen in dieser Zeit. Ganze Familien wurden durch Krankheiten dahingerafft, oder die Pest hat ganze Landstriche entvölkert. Kriege veränderten die Landkarte. Oftmals war die Welt bei der Rückkehr eine andere.

Unterwegs durch Galizien

Die Anreise von Santiago bis O Cebreiro hat einige Zeit in Anspruch genommen, so dass wir erst gegen 14.30 Uhr starten können. Es steht also nur ein kurze Etappe an und das ist gut so, gerade richtig um sich ein wenig einzulaufen. In Fonfría finden wir eine gemütliche Herberge. Der Weg bis hierhin war relativ eben. Der Ort liegt nur wenig tiefer als O Cebreiro. Pünktlich um 19.00 Uhr wir das Abendessen serviert, welches alle Pilger gemeinsam einnehmen. Die Stimmung ist ausgezeichnet, und nach dem Essen wagen Marie und einige andere Frauen noch ein Tänzchen mit der Küchenmannschaft. Ein wirklich gelungener Auftakt auf dem Camino. Von Fonfría aus windet sich der Weg rund 600 Meter hinunter nach Tricastela. Es ist eine andere Welt. Alles ist grün und saftig. Galizien hat ein mildes aber auch feuchtes Klima.

An der Abzweigung in Tricastela wählen wir den Weg über Samos, was wiederum die längere Variante ist. Wir wollen unbedingt das Monasterio de Samos besuchen, welches eines der ältesten Klöster der westlichen Welt ist. Es wurde bereits im 6. Jh. gegründet.

Monasterio de Samos
Monasterio de Samos
Monasterio de Samos

Entgegen anders lautenden Angaben war eine Besichtigung der Klosteranlage leider nicht möglich. Einzig die Kirche wurde um 19.30 Uhr für die Messe geöffnet und wir konnten so den gregorianischen Gesängen der Mönche lauschen. Ein eindrückliches Erlebnis. Dem Kloster angeschlossen ist auch eine Herberge mit 68 Betten, welche sich in einem einzigen grossen Saal befinden. Es ist immer wieder erstaunlich wie gut es sich in solchen Grossraumherbergen schlafen lässt. Schlimme Schnarcher habe ich nie erlebt, und da alle müde sind ist es auch ruhig. Eine negative Anmerkung zu Samos muss ich an dieser Stelle aber doch noch loswerden. Der Höhepunkt jeden Abends ist das Pilgermenü, für mich auf jeden Fall, denn ich habe Hunger. Gleich gegenüber der Herberge, auf der anderen Strassenseite liegt ein kleines Restaurant, welches wir nach der Messe besuchen. Auf der Karte das Übliche. Ich wähle einen Pastasalat, dann Huhn mit Kartoffeln und zur Nachspeise Birne in Rotwein. Auf jeden Fall, einen solchen Pastasalat habe ich noch nie gegessen. Er war furchtbar schlecht. Doch Pasta ist gut fürs pilgern, denke ich, also esse ich alles auf. Ich will ja auch nicht unhöflich sein und eine eventuell regionale Spezialität verschmähen. Der Salat hatte keine Sauce, die Pasta hatte nur so eine Art zähen öligen Überzug. Ich hatte den Eindruck, dieses Fett verklebt mir den Mund. Ausserdem stellte sich ein merkwürdiges Gefühl ein, zum einen eine Art leichte Betäubung wie beim Zahnarzt nach einer Spritze, zum anderen ein kribbliger Schmerz, so als ob mir tausende von kleinen Nadeln in Zunge und Gaumen stechen. Nicht Mal die wirklich leckere Nachspeise konnte da Abhilfe schaffen. Diesen Geschmack wurde ich bis am nächsten Morgen nicht mehr los. Ursula erging es genau gleich, nur Marie hat eine andere Vorspeise gewählt. Und hier noch eine positive Anmerkung zu Samos: Ursula und ich haben den Pastasalat überlebt und das ohne die geringsten Magenbeschwerden oder sonstige bleibende Schäden.

Galizische Brücke
Galizische Brücke

Wir laufen heute über Sarria hinaus bis nach Barbadelo. Die Wanderung ist sehr abwechslungsreich. Wir passieren halb verlassene Dörfer, die am Verfallen sind, dann geht es wieder entlang von Weideflächen und abgeernteten Feldern. Häufig führt der Weg aber durch den Wald, einen urtümlichen Wald mit jahrhundertealten knorrigen Eichen und riesigen ausladenden Kastanienbäumen. Das Unterholz besteht aus undurchdringlichem Dornengstrüpp (Brombeeren) und riesigen Farngräsern. Wenn diese Bäume doch nur sprechen könnten. Sie hätten so manche Geschichte zu erzählen.

Mystischer uralter Wald
Mystischer uralter Wald

Die private Herberge in Barbadelo (Casa de Carmen) ist ein Traum. Sie ist völlig neu erstellt. Die Unterkünfte bestehen aus kleinen Reihen-Bungalows mit mehreren Betten. Jeder Bungalow verfügt über ein eigenes Bad/WC. Und die Küche erst. So gut haben wir selten gegessen.

Die letzten 100 Kilometer

Viele Pilger beginnen ihre Reise in Sarria, welches 117 Kilometer von Santiago entfernt liegt. Man muss ja mindesten die letzten 100 Kilometer zu Fuss gepilgert sein, um die Compostela, die Urkunde zu erhalten.

Sonnenaufgang bei Barbadelo
Sonnenaufgang bei Barbadelo

Wir hatten im Casa de Carmen in Barbadelo unsere Ruhe und haben das sehr genossen. Wir verlassen nun die Herberge und wenn wir es nicht mit eigenen Augen gesehen hätten, wir würden es nicht glauben: Wie ein riesiger Tatzelwurm ziehen die Pilger in grosser Zahl an uns vorüber. Wir haben richtig Mühe einzuspuren und unseren Platz in der Kolonne zu finden. Viele kleine Gruppen Spanier sind hier unterwegs, welche rasch Mal nach Santiago laufen. Etwas was mir auch aufgefallen ist an den Spaniern: Sie sprechen nicht nur kein Englisch, sie sind auch sehr laut, ständig am diskutieren und gestikulieren. Mit der Ruhe ist es nun vorbei, für den Moment in jedem Fall. Das Problem ist ja nur, dass alle mehr oder weniger zur gleichen Zeit am Morgen aufbrechen. Wir machen also eine längere Rast in der erstbesten Bar und wir haben den Camino wieder für uns.

Die Pilger verteilen sich im Verlauf des Tages relativ gut. Schon am zweiten Tag nach Sarria hat das Gedränge nachgelassen. Obwohl die Hauptsaison schon vorbei ist müssen wir feststellen, dass die Herbergen oft schon ausgebucht sind wenn wir ankommen. Zum Glück gibts noch genügend Alternativen. Der Morgen ist meist kühl und frisch und Hochnebel liegt über dem Land, was für das Wandern sehr angenehm ist. Gegen Mittag heizt dann die Sonne wieder richtig ein, was dann einige Barbesuche nötig macht. Oft geht aber der Weg durch den schattigen Wald und immer häufiger durch wohlriechende Eukalyptuswälder.

Eukalyptuswald
Eukalyptuswald

Das Klima wir zusehends milder und in den Gärten sieht man zur Abwechslung immer wieder Palmen, Kakteen und Bananenstauden. Ab und zu entdeckt man einen Landwirt bei der Arbeit. Es ist gerade die Zeit der Kartoffelernte. Vollautomatische Erntemaschinen gibt es hier noch nicht. Mit einer Art Pflug werden die Kartoffeln ausgegraben und dann von Hand einzeln eingesammelt. Eine mühsame und beschwerliche Arbeit, wenn man bedenkt, dass die meisten schon längst das Rentenalter erreicht haben.

Mühsame Kartoffelernte
Kartoffelernte
Greiser Landwirt beim Misten
Greiser Landwirt beim Misten

Heute ist ein wirklich grauer Tag. Der Nebel hängt tief und uns ist nicht ganz klar, ob das noch Nebel ist oder doch schon Nieselregen. Jetzt haben wir es also, das galizische Wetter. Der Monte do Gozo ist der letzte Berg vor Santiago de Compostela. Gozo heisst Freude. Der Berg der Freude, Freude darüber, dass das Ziel beinahe erreicht ist, denn von hier aus sollte man die Türme der Kathedrale erblicken. Es ist aber nicht einmal zu erahnen dass es hier eine Stadt gibt, obwohl nur noch fünf Kilometer zu laufen sind. Die fünf Kilometer sind rasch zurückgelegt und auch das Wetter bessert sich rasch, bis bei unserer Ankunft sogar die Sonne scheint.

Pilger vor der Kathedrale in Santiago de Compostela
Pilger vor der Kathedrale
Catedral de Santiago de Compostela
Catedral de Santiago de Compostela
Meine Compostela, 23.09.2011
Meine Compostela, 23.09.2011

Ursula und Marie sind überglücklich, sie haben es geschafft. Sie sind 150 Kilometer gelaufen und sind stolz auf ihre Leistung. Ich freue mich, dass die beiden sich freuen. Bei mir will sich die Freude nicht so recht einstellen. Es war halt nicht dasselbe wie letztes Jahr. Die letzten 100 Kilometer haben mir auch zu denken gegeben. Diese Menschenmassen und alles nur um das Seelenheil zu erlangen. Hätte der Papst eine andere Regel als die 100-Kilometer Regel aufgestellt, die Menschen würden auch ihr folgen. Aber sonst mag ich diese Stadt. Vor allem amüsiere ich mich über all die vielen Pilger welche keinen Meter gelaufen sind, sich aber mit Pilgerhut, Jakobsmuschel, Pilgerstab und Kalebasse ein Outfit zugelegt haben, welches wohl eher an einen Karneval passen würde. Wir begeben uns ins Pilgerbüro um unsere Urkunden abzuholen. Es gibt zwei Varianten. Diejenigen, welche aus religiösen oder spirituellen Gründen gepilgert sind erhalten die Compostela, alle anderen eine einfache Bestätigung. Viele freiwillige Helfer sind daran die Urkunden auszustellen. Vorab muss aber ein Fragebogen ausgefüllt werden. Ich bin ehrlich und kreuze an: andere Gründe, also weder religös noch spirituell, und gebe den Fragebogen ab. Unterdessen hatte mein Helfer aber die Compostela bereits erstellt und war nicht erfreut zu sehen, dass ich keine religiösen oder spirituellen Gründe angegeben hatte. Die Arbeit also nochmals machen? Nein. Der Mann spricht zu meiner Überraschung Deutsch. Er schaut mir in die Augen und fragt: "Bist du dir bewusst was das bedeutet? Du bist 800 Kilometer gepilgert. War das nicht im entferntesten auch ein wenig spirituell?" Da konnte ich ihm beim besten Willen nicht widersprechen. 800 Kilometer zu laufen ist in jedem Fall ein sehr spirituelles Erlebnis. Er nimmt also meinen Fragebogen, setzte ein weiteres Kreuz bei "spirituell" und übergibt mir die Compostela.

Santiago de Compostela
Santiago de Compostela

Für mich ist klar, dies ist noch nicht das Ende meiner Pilgerreise. Ich muss weiter bis nach Fisterra, ans Ende der Welt. Aber kann ich meine zwei Frauen noch dazu motivieren? Für die meisten Pilger ist mit Santiago das Ziel erreicht, die Luft ist draussen und es fehlt jegliche Motivation noch einen Schritt zusätzlich zu tun. Ursula und Marie haben mich begleitet mit der Einstellung: Wir schauen einmal wie weit wir kommen, wenns nicht mehr geht nehmen wir den Bus. Sie haben also ihr Ziel mehr als erreicht. Unser Rückflug geht aber erst in einer Woche. Da ist auf jeden Fall die Wanderung nach Fisterra einiges attraktiver als das Rumhängen in der Stadt. Die Zwei sind also auch wieder mit von der Partie. Vorab gönnen wir uns aber noch einen Tag Pause und geniessen Santiago.

Bis ans Ende der Welt

Es sind noch 87.2 Kilometer bis nach Fisterra oder Finisterre. Mein Pilgerführer schlägt drei Etappen vor. Wir werden es in vier machen. Kaum haben wir die Stadt verlassen hat uns die Natur wieder. Das ist das Pilgern wie ich es mag. Wir sind alleine unterwegs. Es ist wieder Ruhe eingekehrt. Der Morgen ist noch jung und frisch. Der Wald ist in diesen typischen galizischen Nebel gehüllt, was eine mystische Stimmung ergibt.

Typischer Nebel am Morgen
Nebel am Morgen ...
Typischer Nebel am Morgen
... ist sehr erfrischend

Unsere Wanderung führt uns heute bis ins 20 Kilometer entfernte Negreira. Kleine Dörfer, Felder und Wald wechseln sich ab und machen den Weg kurzweilig. Die galizischen Kornspeicher sieht man in den verschiedensten Ausführungen. Selbst bei Neubauten findet sich oft ein Speicher im Garten. Er gehört einfach dazu, obwohl er keine Verwendung mehr findet.

Typisch galizischer Kornspeicher
Typisch galizischer Kornspeicher
Begegnungen in Galizien
Begegnungen

In Negreira finden wir ein Hotel und buchen ein Zimmer mit drei Betten für 56 Euro inklusive Frühstück. Das Zimmer stellt sich dann aber als grosszügiges 3-Zimmer Appartement heraus, Luxus pur. Wir haben Morgen eine lange Etappe vor uns, im günstigsten Fall 31 Kilometer. Wir wollen deshalb früh zu Bett und mögen nicht bis 20.00 Uhr aufs Essen warten. Wir finden einen Schnellimbiss und bestellen Pizzas und eine Flasche Wein, auch das ist fein.

Ich liebe diesen galizischen Nebel. Bis gegen Mittag garantiert er angenhme Temperaturen. Danach heizt die Sonne wieder gründlich ein. Schattenspendender Wald wird wieder zur Selteheit. Die hügelige Region hier ist stark landwirtschaftlich geprägt. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit füllen wir unsere Wasserflaschen auf. Wir achten auch darauf jede Stunde an einem schattigen Platz eine kurze Pause einzulegen. Heute müssen wir unsere Kräfte gut einteilen. Entsprechend spät kommen wir in Ponte Olveira an, nach 31 Kilometer. Die Herberge dort hat nur acht Plätze in einem Container neben dem Restaurant. Hurra, sie haben noch Platz. Die meisten anderen Pilger sind wohl bis ins benachbarte Olveiroa durchmarschiert. Wir sind hundemüde und froh hier noch drei Betten zu kriegen. Wir haben uns nämlich gedanklich schon darauf eingestellt, was sich auch als Fehler hätte herausstellen können. Bei ausgebuchter Herberge die Motivation zu finden nochmals 2,5 Kilometer zu laufen, wäre sehr hart gewesen. Das Restaurant öffnet am Morgen erst spät. Deshalb hat uns Elisa, die Herbergsmutter, das Frühstück bereits am Abend bereitgestellt und vor dem Eingang deponiert. Eine Thermoskanne Kaffee steht bereit, dazu gibt es verschiedene Sorten Dolce. Das Essen erweist sich als schwierig, da sich sofort ein aufdringlicher streunender Köter zu uns gesellt, welcher auch etwas abbekommen will.

Der Weg ist das Ziel
Der Weg ist das Ziel
Der zweitletzte Tag in Galizien
Der zweitletzte Tag

Noch zwei Tage und wir sind am Ziel. Es sind nur noch 34 Kilometer. Das gibt zwei kurze Etappen. Wir können es uns leisten langsam zu gehen. Immer wieder legen wir Pausen ein und geniessen die Landschaft. Es ist fast so, als ob wir das Ende hinauszögern wollten.

In Cee gelangen wir das erste Mal ans Meer, an den Atlantik, und bleiben. Der letzte Tag zeigt sich regnerisch, aber nur bis am Mittag, dann bessert das Wetter.

Erster Blick auf Fisterra
Erster Blick auf Fisterra
Fisterra, das Ende der Welt
Fisterra

Es herrscht Kaiserwetter beim Einmarsch in Fisterra. Besser hätte ich mir das Ende meiner Pilgerreise nicht vorstellen können. Heute ist ausserdem mein Geburtstag und ich bin am Ende der Welt angelangt. Ursula und Marie organisieren beim Faro, dem Leuchtturm, eine kleine Überraschung und wir begiessen den erfolgreichen Abschluss unserer Reise. Das Ziel ist erreicht, aber damit sind wir auch keine Pilger mehr.

Am"Ende" der Welt
Am"Ende" der Welt ...
Kap Fisterra
... Kap Fisterra: Ich bin am Ziel, 28.09.2011
Blick in die Unendlichkeit, Kap Fisterra
Blick in die Unendlichkeit

Im Mittelalter war dies hier der westlichste Punkt der bekannten Welt. Weiter draussen war nichts mehr ausser Wasser, Meeresungeheuer und unbekannte grauenvolle Gefahren. Dies hier war die Grenze, die Grenze der Welt. Aber es war keine Grenze in den Köpfen all derjenigen, welche versucht haben diese Grenze zu überwinden und die so neue Welten entdeckt haben. Die meisten Grenzen schaffen wir uns selber, sie stecken in unseren Köpfen. Welche Grenze werde ich wohl als nächstes überwinden?